20.05.2010

Carla aus Spanien

von Bine
Nachdem wir unsere Mietnomadin Lina erfolgreich los geworden waren, hatten wir also wieder mal 2 leer stehende Zimmer. Wir brauchten allerdings gar nicht nach neuen Mitbewohnern zu suchen, denn eine Freundin schickte uns Carla.

Carla ist Architektin aus Spanien, die in einem Berliner Architekturbüro ein Praktikum machte und eine günstige Bleibe für ungefähr ein Jahr suchte. Ihr gefiel unser kleines Zimmer und so wurden wir uns schnell einig, zumal sie mit besten Referenzen unserer Freundin kam.

Zwei Monate dauerte die Idylle mit Carla, die sich als kompetente Mitbewohnerin erwies, dann hatte sie auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall und brach sich das Bein. Sie musste für 2 Wochen ins Krankenhaus und wurde dort 3x operiert. Dann kam sie wieder zu uns zurück in die WG mit Gips und Krücken. Ihre Patentante und anschließend ihr Bruder kamen die ersten 3 Wochen aus Spanien angereist und leisteten ihr Schützenhilfe. Die Diakonie schickte täglich Pflegerinnen, die ihr beim Duschen und Anziehen halfen. Abgesehen davon, dass durch diesen ständigen Publikumsverkehr unsere Kater total verschreckt wurden und es im Bad mit 6 Personen manchmal recht eng wurde, war das alles halb so wild.


Uns drückte an ganz anderer Stelle der Schuh: In der Annahme, dass Carla als Praktikantin über ihren Arbeitgeber unfallfallversichert sei, wurde ihr Fall bei der Berufsgenossenschaft angemeldet und darüber alle Kosten abgewickelt. Allerdings stellte sich heraus, dass Carla von ihrem Arbeitgeber gelinkt worden war. Man hatte ihr Rechnungen untergeschoben, auf denen sie den Erhalt ihres Praktikantenlohns quittieren sollte. Da sie kaum Deutsch versteht, hatte sie im Glauben, eine Gehaltsquittung zu unterschreiben, unwissentlich ihren Status als freiberufliche Mitarbeiterin bestätigt. Was wiederum bedeutet, dass die Berufsgenossenschaft gar nicht für die Krankenhaus- und Pflegekosten aufkommt, sondern Carlas eigene Krankenversicherung. Allerdings ist nicht geklärt, ob diese wirklich die Kosten übernimmt, da es eine spanische Versicherung ist. Und selbst wenn sie zahlt, dann nur zu 80%, da Carla als privat Versicherte 20% Selbstbeteiligung hat.

Die Situation ist vertrackt: Carla erhielt nur ein Praktikantengehalt von 300 Euro, wovon die Miete mit 270 Euro zu Buche schlägt. Das bedeutet, dass sie komplett von ihren Ersparnissen lebt, jetzt gar kein Einkommen mehr hat und nicht einmal die Eigenbeteiligung an den Krankenhauskosten bezahlen könnte, falls ihre spanische Versicherung überhaupt einspringt.

Wir sind alle schockiert und empört, was für ein linkes Pack ihre Chefs doch sind, die die mangelnden Sprachkenntnisse einer Person auf so schamlos Weise ausnutzen. Carla hätte niemals einer Beschäftigung als Freiberuflerin zugestimmt!

Allerdings kann man sie auch nicht von aller Schuld frei sprechen. Sie hätte sich gründlicher informieren müssen und nicht so vertrauensvoll einfach alles unterschreiben dürfen, ohne sich zumindest eine Übersetzung geben zu lassen. Aber offensichtlich hat sie sich geschämt zuzugeben, dass ihr Englisch ebenfalls nicht ausreichend ist. Leider haben wir auch oft genug selbst festgestellt, dass sie uns signalisiert hat, alles verstanden zu haben, was wir ihr sagten und es doch nicht der Fall war.

Bisher hat sich die Berufsgenossenschaft noch nicht gemeldet, die Geschichte hat also noch kein Ende. Es bleibt spannend…

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